Dienstag, 4. September 2012

Die verstoßenen Kinder

Wenn dich eine Welle von Depression, Verzweiflung, Einsamkeit und Misanthropie überrollt, dann gehe auf einen der Plätze, der meist von den gescheiterten Existenzen der Stadt besiedelt wird. Setze dich zwischen Alkoholiker, sympathisch Zurückgebliebene und all die anderen verstoßenen Kinder dieser Gesellschaft und rede mit ihnen, höre zu. Du wirst lachen und weinen, dich so verstanden fühlen, wie schon seit langem nicht mehr. Geschichten darüber, wie sie wurden, was sie sind. Ihr Alltag, ihre Wünsche. Andere werden verständnislos vorbei gehen, sich fragen, was du unter ihnen zu suchen hast. Und du wirst dir nur die Frage stellen, ob du irgendwann zwischen ihnen untergehen wirst. Denn jede Generation hat diese Existenzen, die einst aufrecht durchs Leben gingen, die Welt unter den Füßen und eine unbestimmte Zukunft vor sich. Und wenn du heute mit ihnen redest, dir Zeit nimmst, sie so schätzt wie sie sind, dann zeigen sie dir die Reste ihres früheren Glanzes, den sie als letzte Hoffnung irgendwo in sich vergraben haben. Und während ihr weiter redet merkst du, dass das "sie" und "ich" verschwimmt und jeder Mensch auch ein solcher bleibt. Einsamkeit, das nichts mit sich anfangen können, das orientierungslos in die Welt geworfen und verloren gegangen sein und immer wieder Liebe die aufbaut und zerbricht und damit kleine Welten ins schwanken bringt. Und du denkst daran, wie oft du dir sagst, dass es weiter gehen muss und wird. Das du das Glück nicht abschreiben solltest, auch wenn du dich gerade so fühlst, als ob du nie mehr zurück in diese endorphinüberschüttete Zeit finden wirst. Und du fragst dich, was ist wenn dein Gefühl nicht lügt, denn so wie es war, wird es nie wieder sein. Und als letzter Gedanke drängt sich dir auf, wie lang du eigentlich noch jeden Tag trinken musst, bis du am selben Punkt angelangt bist.


2 Kommentare:

  1. Das ist ein wirklich wahnsinnig berührender text.

    alles liebe

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  2. Berührend und vor allem sehr sehr wahr und ehrlich, schade das es nicht mehr Menschen gibt die so denken. Aber das ist oft der Preis den man zahlen muss wenn man einen weiten Geist hat und die Welt so bewusst wahrnimmt, oft ist man unglücklich und wird sich über die eigene Einsamkeit und die Vergänglichkeit des eigenen Lebens und der Dinge die man liebte bewusst...

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